Etwas mehr als 1.000 Studierende der Medizin in Deutschland haben kein Abitur. Die Möglichkeit, sich mit beruflicher Erfahrung im Gesundheitsbereich für einen Studienplatz zu bewerben, existiert schon länger. Seit ein paar Jahren hat sich die Situation für Bewerber*innen ohne Abitur allerdings merklich verbessert. Grund dafür sind veränderte Zulassungsverfahren zum Medizinstudium, sodass ein Medizin- oder Pharmaziestudium ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung mittlerweile bundesweit an jeder staatlichen Hochschule möglich ist. Dies inkludiert die Studiengänge rund um Human- und Zahnmedizin sowie Pharmazie.
Voraussetzungen
Zunächst einmal müssen die jeweiligen gesetzlichen Regelungen und Zulassungskriterien beachtet werden. Diese sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, manchmal aber auch von Hochschule zu Hochschule. Generell gibt es zwei verschiedene Zugangswege:
- ein Abschluss einer beruflichen Aufstiegsfortbildung mit vorheriger Berufsausbildung. Hierzu zählen Personen, die eine Meister-, Techniker- oder Fachwirtsprüfung absolviert haben. Diese Bewerbergruppe erhält eine allgemeine Hochschulzugangsberechtigung, da ihr beruflicher Abschluss dem Abitur gleichgestellt ist oder
- eine abgeschlossene Berufsausbildung plus mehrjährige Berufserfahrung in einem Gesundheitsberuf. Bewerber*innen mit fachnaher, mindestens zweijähriger, Berufsausbildung und mehrjähriger beruflicher Tätigkeit können eine fachgebundene Hochschulzugangsberechtigung erhalten, also z.B. Pflegekräfte für das Medizinstudium.
Darüber hinaus können die Bundesländer weitere Zugangsvoraussetzungen festlegen – etwa die Teilnahme an einem Beratungsgespräch. Die Feststellung des allgemeinen oder fachgebundenen Hochschulzugangs muss an der Hochschule beantragt werden. Weitere Informationen finden Sie hier.
Die Zugangsbedingungen unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland. Weitere Informationen zu den gesetzlichen Regelungen finden sie unter Informationen zu den Bundesländern.
Bewerbung und Studienort
Generell erfolgt die Bewerbung bei der Stiftung für Hochschulzulassung unter www.hochschulstart.de und nicht bei den einzelnen Hochschulen. Mit einer allgemeinen Hochschulzugangsberechtigung können Sie sich dort direkt bewerben. Allerdings gibt es für einige Bundesländer weitergehende Zugangsbedingungen (Erteilung einer Gleichwertigkeitsbestätigung durch die Hochschulen, Teilnahme an einem Beratungsgespräch, Feststellungsprüfung zum Erwerb einer günstigeren Durchschnittsnote), die Sie ebenfalls bei hochschulstart.de erfragen können. Hier erhalten Sie überdies Auskünfte zur Berechnung der Durchschnittsnote sowie zur Festlegung des Datums der Hochschulzugangsberechtigung in den einzelnen Bundesländern. Bei einer fachgebundenen Hochschulzugangsberechtigung muss in den meisten Bundesländern zusätzlich eine Zugangsprüfung an der Hochschule abgelegt werden. Hierbei wird festgestellt, ob die Bewerber*innen die fachlichen und methodischen Voraussetzungen für das Studium des angestrebten Studiengangs erfüllen. Prüfungsgegenstand kann allgemeines und fachbezogenes Wissen sein, welches schriftlich und mündlich abgefragt wird. Die Zugangsprüfung unterscheidet sich dabei von Bundesland zu Bundesland. Hat man die Zugangsprüfung oder das Eingangsgespräch bestanden, gibt es grünes Licht für die Bewerbung. Diese erfolgt dann ebenfalls mit dem Ergebnis der Zugangsprüfung. Es gilt zu beachten, dass für beruflich qualifizierte Bewerber*innen in einigen Bundesländern zusätzlich ein Beratungsgespräch erforderlich ist.
Seit dem Sommersemester 2020 ist es möglich, sich gleichzeitig für ein Human- und Zahnmedizin- sowie Pharmaziestudium zu bewerben. Ausnahmen bilden hierbei neben wenigen staatlichen Hochschulen die privaten Hochschulen, bei denen man sich direkt bewirbt. Hier fallen im Gegensatz zu den staatlichen Universitäten auch Studiengebühren an. Zugelassen werden Studienanfänger*innen jeweils zum Sommer- und Wintersemester. Deadlines für die Bewerbung sind in der Regel Mitte Juni und Mitte Januar. Für private Hochschulen gelten abweichende Regelungen und Termine, die man auf den jeweiligen Websites der Hochschulen erfährt.
Die Zahl der Wunschstudienorte bei der Bewerbung für Human- und Zahnmedizin sowie Pharmazie sind nicht limitiert. Studieninteressierte können sich demnach an allen Orten bewerben, die für sie infrage kommen. Dennoch bleibt die Reihenfolge der Ortswünsche relevant. Sie bilden eine Hierarchie, bei der der Topwunsch an erster Stelle steht und alle weiteren Nennungen in absteigender Wichtigkeit berücksichtigt werden.
Zulassung
30 Prozent aller Plätze für Human- und Zahnmedizin sowie Pharmazie werden an die sogenannten „Abiturbesten“ vergeben. Bei Personen ohne allgemeine Hoch- oder Fachhochschulreife wird die Durchschnittsnote des Berufsabschlusszeugnisses und/oder das Ergebnis einer an einer Universität abgelegten Zugangsprüfung angerechnet. Bei weiteren 60 Prozent der Studienplätze können die Hochschulen selbst festlegen, nach welchen Kriterien sie auswählen. Weitere 10 Prozent werden über die „Zusätzliche Eignungsquote“ (ZEQ) vergeben. Für Bewerber*innen mit Berufserfahrung im Gesundheitswesen stellt die ZEQ einen Vorteil bei der Bewerbung dar, da schulnotenunabhängige Auswahlkriterien berücksichtigt werden. Hierbei nimmt jeder Universität eine eigene Gewichtung in einer 100 Punkte-Skala vor. Jede*r Bewerber*in nimmt automatisch an allen drei Verfahren teil. Darüber hinaus wird ein kleiner Teil der Studienplätze von vornherein für sogenannte Härtefälle freigehalten, d.h. ausländische Studierende oder für Bewerber*innen, die sich aufgrund entsprechender Vorschriften verpflichtet haben, wie z.B. Sanitätsoffizier*innen der Bundeswehr, Landärzt*innen.
Die Chancen auf einen der begehrten Studienplätze können durch die Teilnahme an dem Medizinertest (TMS) oder auch durch die Teilnahme am Testverfahren des HAM-Nat (Hamburger-Naturwissenschaftsteil) verbessert werden. Auch Freiwilligendienste, ehrenamtliche Tätigkeiten, Auszeichnungen in Forschungswettbewerben oder zum Teil auch sportliche Karrieren auf Nationalmannschaftsniveau werden angerechnet. Zudem stellen der HAM-Nat sowie weitere Tests wichtige Auswahlkriterien für vereinzelte Universitäten dar. Unter anderem werden in einem Multiple-Choice-Test medizinisch relevante Aspekte der Fächer Mathematik, Physik, Chemie und Biologie abgefragt.
Daneben kann man sich ebenfalls über die „Landarztquote“ bewerben. Diese wird mittlerweile in Baden-Würrtemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt sowie in Thüringen angeboten – auch für Studierende ohne Abitur. Mit dem Landarztstudium verpflichten sich die Bewerber dazu, später zehn Jahre als Hausarzt zu arbeiten. Für die Bewerbung müssen sie zuvor an einer Universität eine Zugangsprüfung für den Studiengang abgelegt haben. Die Teilnahme am TMS erhöht dabei die Chance auf einen hohen Punktwert und damit auf ein Weiterkommen im Auswahlverfahren.
Finanzierung
Das BAföG ist die bekannteste Form der Studienfinanzierung. Studierende ohne Abitur erfüllen die Voraussetzungen für ein eltern- und ehepartnerunabhängiges BAföG. Weiterhin können sich beruflich Qualifizierte auf das Deutschlandstipendium bewerben, welches mit 300 Euro monatlich eine gute Finanzspritze darstellt. Eine zusätzliche Alternative ist das Aufstiegsstipendium des Bundes. Ebenfalls gibt es die Möglichkeit eines Studienkredits. Weitere Informationen zum Thema „Studienfinanzierung“ finden Sie hier.