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Quantitative Entwicklung beim Studium ohne Abitur weitgehend konstant

Die Entwicklungen beim Studium ohne (Fach-)Abitur sind bundesweit weitgehend konstant. So erreicht der Anteil von 2,4 Prozent Studierenden ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung (HZB) an allen Studierenden exakt dasselbe Niveau wie im Vorjahr. Damit sind aktuell rund 70.000 Personen aus dieser Gruppe an einer deutschen Hochschule eingeschrieben. Bei den Hochschulabsolvent*innen ohne schulische HZB wird mit einem Anteil von 1,9 Prozent (9.532 Personen) ebenfalls der Vorjahreswert gehalten. Aus der Langfristperspektive betrachtet haben im Zeitraum 2010 bis 2022 insgesamt 85.172 Personen ohne (Fach-)Abitur erfolgreich einen Hochschulabschluss erworben. Rückläufig ist dagegen erstmals die Zahl der Studienanfänger*innen ohne (Fach-)Abitur mit 12.676 Erstsemestern und einem Anteil von 2,7 Prozent an allen Studienanfänger*innen bundesweit. Hier zeigt sich ein ähnlicher Trend wie im Studium allgemein, wo die Erstsemesterzahlen ebenfalls sinken (vgl. Quantitative Entwicklung in Deutschland). Für die Studierenden ohne (Fach-)Abitur steht weiterhin der Bachelorabschluss im Vordergrund. Rund neun von zehn der beruflich qualifizierten Studierenden sind in einem Bachelorstudium eingeschrieben. Einen Masterstudiengang absolvieren lediglich 12,1 Prozent aller Studierenden ohne schulische HZB im Bundesgebiet (vgl. Hochschulabschluss).

Größte Nachfrage an Hochschulen mit Fernstudienangebot

Zwischen den Bundesländern sind die Unterschiede bei der quantitativen Entwicklung nach wie vor groß. Mit einem Erstsemesteranteil von 8,5 Prozent liegt Thüringen, wie auch im Vorjahr, auf dem ersten Rang im Bundesländervergleich, gefolgt von Bremen mit einem Anteil von 3,8 Prozent und Rheinland-Pfalz mit 3,7 Prozent (vgl. Quantitative Entwicklung in den Bundesländern). Verantwortlich für den Spitzenplatz von Thüringen ist die IU Internationale Hochschule, die ihren Hauptstandort von Nordrhein-Westfalen nach Erfurt verlegt hat, sodass die Studienanfänger*innen nun Thüringen zugerechnet werden. Gleichzeitig zählt die IU Internationale Hochschule alle Fernstudierenden dem Hauptsitz zu. Insgesamt 1.922 beruflich qualifizierte Studienanfänger*innen hat die private Hochschule im Jahr 2022 aufgenommen. Damit liegt sie erneut vor der staatlichen FernUniversität Hagen mit 917 Studienanfänger*innen ohne (Fach-)Abitur, welche vor ein paar Jahren noch die am stärksten nachgefragte Hochschule im Bundesgebiet war. Ein Grund dafür könnte die mittlerweile starke Ausrichtung der IU auf das Fernstudium sein, was beruflich Qualifizierten entgegenkommt. An dritter Stelle folgt erneut eine private Einrichtung: die FOM Hochschule für Oekonomie & Management Essen mit Standorten in neun Bundesländern. Insgesamt gibt es hier 799 Studienanfänger*innen ohne (Fach-)Abitur (vgl. Hochschulnachfrage).

Anhaltender Bedeutungsverlust von Universitäten

Bei den Erstsemestern ohne (Fach-)Abitur sind die Fachhochschulen (FH)/Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) weiterhin am beliebtesten. Hier sind 72,7 Prozent der Studienanfänger*innen eingeschrieben – ein neuer Höchstwert. Das sind 9.217 Personen. Der kontinuierliche Aufwärtstrend der letzten Jahre setzt sich weiter fort. Im Jahr 2012 lag der Anteil der anwendungsorientierten Hochschulen noch bei rund 53 Prozent. Dagegen nimmt die Bedeutung der Universitäten stetig ab. Entschieden sich 2012 noch fast die Hälfte aller Erstsemester ohne (Fach-)Abitur für ein Studium an einer Universität, sind es jetzt nur 23,3 Prozent. Damit ist der Anteil so gering wie noch nie. Die Bedeutung der Kunst- und Musikhochschulen hat ebenfalls zugenommen und bleibt mit 4,0 Prozent weiterhin vergleichsweise auf niedrigem Niveau. Ein anderes Bild zeigt sich, wenn man den Anteil der Studienanfänger*innen ohne schulische HZB an allen Studienanfänger*innen je Hochschultyp betrachtet. An FH/HAW liegt der Anteil bei 4,3 Prozent und an Universitäten bei 1,2 Prozent. Mit 10,2 Prozent fällt dieser an Kunst- und Musikhochschulen am höchsten aus (vgl. Hochschultyp und Trägerschaft). Weiterhin haben sich an diesem Hochschultyp besonders viele Personen, d. h. 96,5 Prozent, durch das Ablegen einer Begabtenprüfung für das Studium qualifiziert (vgl. Hochschulzugang).

Private Hochschulen stark im Aufwind

An privaten Hochschulen zeigt sich im Zeitverlauf ein deutlicher Anstieg beim Studium ohne (Fach-)Abitur. Im Jahr 2012 waren 2.812 Personen dieser Gruppe an einer privaten Hochschule eingeschrieben, während es aktuell insgesamt 5.254 Personen sind. Damit beträgt der Anteil der Erstsemester an privaten Hochschulen mittlerweile 41,5 Prozent. Nichtsdestotrotz ist weiterhin die Mehrheit der Studienanfänger*innen ohne schulische HZB, d. h. 7.151 Personen, an einer staatlichen Hochschule eingeschrieben. Der Anteil liegt bei 56,4 Prozent und ist zuletzt wieder gestiegen. Kirchliche Hochschulen spielen hingegen mit einem Anteil von 2,1 Prozent eine untergeordnete Rolle. Es bleibt abzuwarten, ob sich der „Boom“ der privaten Hochschulen weiter fortsetzt. So haben sich im Vergleich zum Vorjahr weniger Studienanfänger*innen ohne schulische HZB an einer privaten Hochschule immatrikuliert. Auch der Gesamtanteil der Studienanfänger*innen ohne schulische HZB an allen Studienanfänger*innen ist an privaten Hochschulen im Zeitverlauf erstmals wieder gesunken. Mit einem Anteil von 7,6 Prozent ist dieser aber weiterhin deutlich höher als an staatlichen Hochschulen. Hier liegt der Anteil bei 1,8 Prozent (vgl. Hochschultyp und Trägerschaft).

Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften beliebteste Studienfächer

Mehr als 9.000 Studienangebote stehen Studieninteressierten ohne (Fach-)Abitur bundesweit offen. Unumstritten an der Spitze liegt bei diesem Personenkreis seit Jahren die Fächergruppe Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Rund die Hälfte der Erstsemester ohne schulische HZB (50,3 %) sind hier im Berichtsjahr 2022 eingeschrieben, was 6.373 Personen entspricht. Darüber hinaus zeigen sich aktuell Höchstwerte bei der Anzahl der Studierenden ohne (Fach-)Abitur (36.004) und der Hochschulabsolvent*innen (5.181) in den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Auch beim Anteil der Studierenden und Absolvent*innen ohne (Fach-)Abitur an allen Studierenden und Absolvent*innen innerhalb der Fächergruppe Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften wurden mit 3,2 Prozent und 2,5 Prozent neue Spitzenwerte erreicht. Die Ingenieurwissenschaften sind mit einem Anteil von 19,8 Prozent an allen Erstsemestern ohne (Fach-)Abitur die zweitbeliebteste Fächergruppe in diesem Segment. Der Anteil an allen Studienanfänger*innen in den Ingenieurwissenschaften liegt bei bundesweit 2,0 Prozent. Daneben zeigt sich auch bei den Studierenden und den Absolvent*innen ohne (Fach-)Abitur ein kontinuierliches Wachstum. So gibt es mit 13.368 Studierenden und 1.647 Absolvent*innen ohne (Fach-)Abitur so viele berufliche Qualifizierungen wie noch nie (vgl. Beliebte Studienfächer).

Akademisierungstrend in den Gesundheitswissenschaften

Die Fächergruppe Humanmedizin und Gesundheitswissenschaften erreicht mit einem Anteil von 15,7 Prozent einen neuen Höchstwert und erreicht den dritten Platz. Im Zeitverlauf zeigt sich ein deutlicher Anstieg. Insgesamt studieren hier aktuell 1.994 Erstsemester ohne schulische HZB, was einem Anteil von 7,3 Prozent an allen Studienanfänger*innen in der Fächergruppe entspricht. Ein detaillierter Blick auf die Fächergruppe zeigt allerdings, dass sich 94,4 Prozent der Studienanfänger*innen ohne (Fach-)Abitur im Bereich der Gesundheitswissenschaften eingeschrieben haben (vgl. Beliebte Studienfächer). Völlig andere Größenordnungen werden demgegenüber im Studienbereich Humanmedizin inkl. Zahnmedizin sichtbar. Hier haben im Berichtsjahr 111 Personen ohne schulische HZB (5,6 %) einen der stark umkämpften Studienplätze erhalten. Im Zeitverlauf zeigt sich allerdings ein Aufwärtstrend. So hat sich die Zahl der Studierenden in der Human- und Zahnmedizin, die sich allein über ihre Berufserfahrung qualifiziert haben, zwischen 2014 und 2022 von 534 auf 1.075 verdoppelt (vgl. Medizin- und Pharmaziestudium). Diese Entwicklung könnte ein Resultat der verbesserten Zugangsmöglichkeiten für Personen ohne (Fach-)Abitur sein, die im Zuge der Reform der Studienplatzvergabe im Jahr 2020 erreicht wurden.

Höherer Altersdurchschnitt

Der Vergleich der Altersstruktur von Studierenden mit und ohne (Fach-)Abitur offenbart deutliche Unterschiede. Studierende mit einer allgemeinen Hochschul- oder Fachhochschulreife sind in der Regel jünger als ihre beruflich qualifizierten Kommiliton*innen. Das zeigt sich deutlich in der Personengruppe der bis 20-Jährigen. Während der Prozentanteil bei den Studierenden mit schulischer HZB bei 16,9 Prozent liegt, beträgt der Anteil der Studierenden ohne schulische HZB nur 2,2 Prozent. Bei den 21- bis 30-Jährigen zeigt sich sogar eine Differenz von 23,5 Prozentpunkten. Gleichzeitig ist das Bild bei den Studierenden ohne Abitur sehr heterogen. Mit 43,7 Prozent bilden die 21- bis 30-Jährigen zwar knapp die Hälfte aller Studierenden ohne schulische HZB, diese Gruppe wird jedoch dicht gefolgt von den 31- bis 40-Jährigen mit 35,2 Prozent. Bei den traditionellen Studierenden fällt der Anteil in dieser Altersgruppe mit 12 Prozent deutlich niedriger aus. Daneben zeigen sich interessante Befunde, wenn alters- und geschlechtsspezifische Daten miteinander in Verbindung gebracht werden. So liegt das Durchschnittsalter der weiblichen Studierenden bei 33,4 Jahren, während das der männlichen Studierenden ohne schulische HZB bei 32,8 Jahren liegt (vgl. Alterssstruktur).

Frauen in der Mehrzahl

Mehr Frauen (53 %) als Männer (47 %) beginnen im Jahr 2022 ein Studium ohne Abitur. Das war nicht immer so. Im Jahr 2015 lag der Anteil der weiblichen Studienanfängerinnen noch bei 45 Prozent. Auch bei den Studierenden und den Hochschulabsolvent*innen fallen die Frauenanteile im Jahr 2022 mit 51,4 Prozent und 52,2 Prozent höher aus. Weitere Unterschiede bestehen bei der Fächerwahl. Studienanfängerinnen ohne (Fach-)Abitur sind häufiger in den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und in der Humanmedizin / den Gesundheitswissenschaften zu verorten als ihre männlichen Pendants. Genau andersherum ist es in den Ingenieurwissenschaften (vgl. Geschlechtsspezifische Unterschiede). Differenziert nach Altersgruppen zeigt sich, dass 21,3 Prozent der weiblichen Studierenden ohne (Fach-)Abitur älter als 40 Jahre sind, während der Anteil in dieser Altersklasse bei den männlichen Kommilitonen (15,4 %) geringer ausfällt (vgl. Alterssstruktur).