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Zahl der Studierenden ohne Abitur hat sich in zehn Jahren mehr als verdoppelt

Seit 2011 hat sich die Zahl der Studierenden ohne Abitur in Deutschland von 32.200 auf 70.338 mehr als verdoppelt. Dies bedeutet im Zehn-Jahres-Verlauf einen neuen Höchststand und entspricht einem Anteil von aktuell 2,4 Prozent an der gesamten Studierendenschaft in Deutschland. Auch bei den Studienanfänger*innen (16.107; Anteil an allen Studienanfänger*innen bundesweit 3,4 Prozent) und Absolvent*innen ohne Abitur (9.558; Anteil 1,9 Prozent) sind im Jahr 2021 neue Höchstwerte zu verzeichnen.

„Schätzungsweise vier von fünf Personen in Deutschland könnten aufgrund ihrer schulischen oder beruflichen Qualifikation ein Studium aufnehmen – und immer mehr nutzen auch diese Option“, bilanziert Frank Ziegele. „Dass immer mehr Menschen für ihre Bildungsbiografie das Beste aus beruflicher und akademischer Bildung mitnehmen wollen, zeigt, wie wichtig ein gutes System nachschulischer Bildung ist, das beide Welten verbindet“, so der Geschäftsführer des CHE Centrum für Hochschulentwicklung.

Große Länderunterschiede und Boom privater Hochschulen

Nach wie vor bestehen zwischen den 16 Bundesländern teilweise große Unterschiede beim Studium ohne Abitur. Die Spitzengruppe wird angeführt von Thüringen mit einem Erstsemesteranteil von 13,5 Prozent. Dahinter folgen Hamburg (5,1 Prozent) und Bremen (4,9 Prozent). Hauptverantwortlich für den ungewöhnlich hohen Wert in Thüringen ist die IU Internationale Hochschule. Rund ein Viertel aller Studienanfänger*innen ohne Abitur im Deutschland sind momentan an der IU mit Hauptsitz in Erfurt eingeschrieben. Neben der IU gehören die staatliche FernUniversität in Hagen und die private Diploma Hochschule zu den drei am stärksten nachgefragten Hochschulen bei Erstsemestern, die über den beruflichen Weg ins Studium gelangen.

„Im Zehn-Jahres-Vergleich zeigt sich, wie immens der Boom bei den privaten Hochschulen ist. Schrieben sich 2011 gerade mal rund 18 Prozent aller Erstsemester ohne Abitur oder Fachhochschulreife dort ein, sind es jetzt fast 50 Prozent“, erläutert Sigrun Nickel. „Eine wesentliche Ursache für diesen Trend ist, dass private Hochschulen ein sehr flexibles Studienangebot mit hohen Anteilen von E-Learning bereitstellen, welches in Teilzeit absolviert werden kann. Dies kommt berufserfahrenen Studierenden oftmals entgegen, die mit einem Durchschnittalter von 33 Jahren rund 7,5 Jahre älter sind als ihre Kommilitonen mit Abitur und häufig schon Familie haben“, so die Leiterin Hochschulforschung beim CHE.

Im Vergleich der Hochschultypen liegen die Fachhochschulen/Hochschulen für angewandte Wissenschaften weit vorne: Rund drei Viertel aller Studienanfänger*innen ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung entscheidet sich für ein dort angebotenes praxisnahes Studium. An Universitäten (rund 22 Prozent) sowie Kunst- und Musikhochschulen (ca. 3 Prozent) schreiben sich dagegen vergleichsweise wenige Personen aus dieser Gruppe ein. Somit haben die Fachhochschulen/Hochschulen für angewandte Wissenschaften im Zehn-Jahres-Vergleich den Universitäten auf diesem Gebiet den Rang abgelaufen: Im Jahr 2011 entschied sich immerhin noch die Hälfte aller Erstsemester ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung für ein Studium an einer Universität.  

Studium ohne Abitur ist von Bachelorstudiengängen geprägt

Rund neun von zehn der beruflich qualifizierten Studierenden absolvieren ein Bachelorstudium. Im Masterstudium ist diese Gruppe nach wie vor eher selten zu finden. Mehr als die Hälfte der Studienanfänger*innen entscheiden sich für ein Studienangebot aus der Fächergruppe Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Aber auch in zulassungsbeschränkten Fächern wie etwa Medizin hatte 2021 jede*r hundertste Studienanfänger*in kein Abiturzeugnis.

Die Studierenden ohne eine allgemeine Hochschul- oder Fachhochschulreife sind daher in der Regel älter als ihre Kommiliton*innen mit Abitur. 93,8 Prozent der Personen mit Abitur beginnt vor dem 31. Lebensjahr zu studieren. Das ist bei den Studienanfänger*innen ohne Abitur anders.Der größte Anteil der Erstsemester ohne schulische HZB ist in der Altersklasse von 21 bis 30 Jahren zu finden (54,8 %). Insgesamt 40,5 Prozent der Studienanfängerinnen dieser Kategorie sind älter als 30 Jahre. Zum Vergleich: bei der Gruppe der Studienanfängerinnen mit Abitur beträgt dieser Anteil lediglich 6,3 Prozent. Wie auch im Vorjahr ist die Gruppe der weiblichen Erstsemester mit einem Anteil von 53,6 Prozent größer als die der männlichen.